[left]Meinungsstarker Post von Captain Futura:[/left]
Da immer, wirklich IMMER wenn man was zu Verkehr schreibt kommt: „ABER AUF DEM LAND UNMÖGLICH, ICH BRAUCH MEIN AUTO!!!“ jetzt mal ein Extralevel für alle vom Land, die hier kommentieren.
Man kann sehr genau messen wann die Landflucht einsetzt. Exakt dann wenn die Asphaltstraße ins Dorf fertig wird.
Ab diesem Moment kommt man besser ins Dorf rein. Aber vor allem auch besser raus. In kürzester Zeit geht daher fast alle Dorfinfrastruktur flöten, weil Lebensmittelladen und co. natürlich nicht mit Billiganbietern auf der grünen Wiesen konkurrieren können und das Gras woanders immer grüner ist. Das Geld bleibt nicht mehr im Dorf, sondern fließt ab, Jobs gehen verloren, Menschen (müssen) weg ziehen.
MIT dem Auto kommen die langen Wege, die die kurzen Wege des Landes zerstören.
Manchmal lässt sich das (bei einer schönen Lage) dann mit Tourismus auffangen, aber zunehmend ist Tourismus der endgültige Totengräber, weil Tourismus selten eine Mitte kennt und gerne in Blechlawinen anrollt. Entweder er kommt nicht in Gang oder er rastet komplett aus. In beiden Fällen leidet das Land, in einem auch Natur und Mensch. Und zunehmend kaufen finanzstarke Städter der Landbevölkerung die Häuser unterm Arsch weg und machen daraus Ferienhäuser, in denen sie dann 3 Wochen im Jahr sind. Und das ist dann häufig der letzte Sargnagel für den Bäcker vor Ort, weil ja 90 % des Jahres niemand in diesen Häusern wohnt. Und das ist dann wieder ein Grund um wegzuziehen und das Haus teuer reichen Städtern zu überlassen.
Anders gesagt: Wir müssen Land komplett neu denken. Land, das war VOR dem Auto mal da, wo alles nah ist. Heute MIT dem Auto ist Land da, wo alles weit weg ist. Die Frage wäre aber, wie wäre es NACH dem Auto?
In Schleswig-Holstein z.B. war mal fast jedes Dorf mit der Bahn angeschlossen. Und mit einer Bahn verhält sich das anders. Für die großen Besorgungen oder fürs Wochenende fährt man vielleicht nach Hamburg - aber für all den Kleinkram geht man halt schnell ein paar Häuser weiter zum Dorfladen. Da trifft man sich, schnackt, verabredet sich vielleicht auf ein Bierchen abends. All das fällt weg wenn alle nur in ihren Blechkisten in die Anonymität flüchten.
Ich glaube man könnte daher auch Land durchaus mal neu denken, mit einem Mix aus digitalem Coworking, handwerklichen Jobs vor Ort und mit kurzen Wegen ohne Auto. Eigentlich ist das Land der Ort an dem man all die guten Früchte der Moderne fast besser und einfacher ernten könnte als in den verstopften Städten. Ebike, digitales Arbeiten, all das würde verbunden mit einer Infrastruktur der kurzen Wege und besser gemischter Altersstruktur ein schönes, entspanntes und trotzdem spannendes Leben viel einfacher erreichbar machen. Denn über eine gute Bahnanbindung und schnelles Internet wäre ja auch die Kultur der Stadt nie weit.
Das Problem ist anscheinend nur, dass wir es nicht mal in der Phantasie schaffen, das Auto einfach mal aus der Gleichung zu nehmen und wahrscheinlich am Ende statt auf bestehende Strukturen aufzubauen das Land einfach mit neugebauten Coworking-Satelliten mit ganz vielen Parkplätzen für gestresste Städter und öden Einfamilienhaussiedlungen* zersiedeln.
Daher: Wenn man das Land neu denkt, könnte man das Auto mit unseren heutigen Möglichkeiten sehr schnell auch dort überflüssig machen.
…
- Manchmal frag ich mich ob einfach die halbe Welt aus Soziopathen besteht, deren größtes Lebensziel es ist möglichst wenig Zeit des Tages mit echten Menschen verbringen zu müssen, so unendlich wichtig wie uns anscheinend unsere eigene Blechhülle und das traute Einfamilienhaus in der öden Endlossiedlung ist.